Es war einmal in Klein-Finnland…

Die jüngste Geschichte eines Bauernhauses
in den Südvogesen

von Gesa Emde

Es herrscht Stille. Es ist so still, dass anfangs die Ohren klingeln, man seinen eigenen Herzschlag hören kann. Vor allem nachts. Es sei denn, man lauscht tagsüber dem Gesang der Vögel und in der Dämmerung dem Ruf von Wald- und Steinkauz.
Und dann ist es dunkel. In unseren Breiten nicht unüblich – denken Sie? Schauen Sie nachts aus Ihrem Fenster, wie viele Straßenlaternen haben Sie im Blick? Licht geben hier nur Mond und Sterne bei klarem Himmel, erinnern an die „amerikanische Nacht“, wie in alten Hollywood-Filmen, in denen die Nachtszenen bei Tage gedreht wurden, natürlich unterbelichtet…

Wen das nicht schreckt, der kann hier so viel entdecken und erleben, direkt vor der Haustür – auf den Pfaden des Waldgrundstücks und den kleinen Seen drum herum.

Mitten im „1000 Seen-Gebiet“ der Franche-Comté in den Südvogesen – manche sprechen auch von „Klein-Finnland“ – liegt der schon im Mittelalter gegründete 200-Seelen Ort Sainte Marie-en-Chanois im Tal des Flüsschens Breuchin. Von dort aus geht es steil den Berg hinan, in den Wald, zur Chapelle de St. Colomban am Ende des Sträßchens – aber das ist eine andere Geschichte. Kurz davor erreicht man, den Weg hinab, an einem kleinen Tümpel vorbei, um die Kurve herum das Atelier- und Seminarhaus „Pas de Deux“ von Gesa Emde und Mirko Krizanovic, auf dem Waldgrundstück – na klar, mit See.

Das Haus steht dort schon seit 1890. Gefunden haben es die beiden Künstler 1999 und ausgebaut ab 2009. Es war ein kalter Winter und das Dach brauchte dringend eine solide Isolierung, um nicht so viel Holz in den Ofen wandern lassen zu müssen. Ja, und wenn man schon mal dabei war, sollten auch Türen, Fenster, Mauern abgedichtet, und auf gewachsenen Ebenen, Ateliers, ein Seminarraum, ein Yoga-Bereich und natürlich Gästeräume ausgebaut werden, um die Vision eines Wohn- Arbeits- und Seminarhauses zu verwirklichen.

Weil man sich ja mitten im Wald, der Natur befindet – und so seine eigenen, typisch deutschen Ansichten über ökologisches Bauen mitbringt – kamen dazu nur naturnahe Werkstoffe wie Kalkputz, Holz und historisches Baumaterial aus der Region in Frage.

Zum Glück gab es großartige Handwerker, mit denen der Entwicklungsprozess, peu à peu, in enger Zusammenarbeit, zu realisieren war. Das gute, alte Haus bot dabei so manche Überraschungen – auch schöne, vor allem das herrliche Holz der alten Balken, geschliffen und poliert, oft wie eine Skulptur und Handschmeichler zugleich.

Die aufwändig renovierten Natursteinmauern im ehemaligen Pferde- und Kuhstall ergaben ein ideales Ambiente, um darin die Galerie „Pas de Deux“ einzurichten, in der zurzeit die Fotografien von Mirko und Aquarelle, Radierungen und Tuschezeichnungen von Gesa zu sehen sind.
In den oberen Etagen ist der Eindruck der luftigen Höhe des ehemaligen Heubodens und der traditionellen Dachkonstruktion erhalten geblieben. Zwischen die grundsoliden, alten Eichenbalken fügen sich die Gästezimmer als individuell gestaltete, helle und gemütliche „Nester“ ein. Nach wie vor schlägt im Zentrum – vordem der Ort zur Lagerung der Wintervorräte – das Herz des Hauses. Nun ist dies der Seminarraum, der zu kreativem Lernen, Diskutieren, Lachen einlädt.

Als Wahrzeichen, eine rote Holzsäule vor dem Domizil – mit dem Motto, das die beiden seit über 30 Jahren zusammenhält: „Pas de Deux“, Namensgeber des Seminarhauses und der Galerie. Ein Tanz, der sich um Kunst, Natur und Liebe dreht. Liebe zu einander, der Kreativität, der Flora und Fauna und dem Vermitteln all dieser Erfahrungen und Wertschätzungen an andere Menschen. Freundin Eva sagte neulich leise: „Es ist so schön hier, dass es fast weh tut.“